Ich war gestern das erste Mal seit mindestens 5 Jahren in
einem großen, kommerziellen Multiplex-Kino und erlitt einen mittelschweren
Kulturschock.
Das lag nicht an den zahlreichen Müttern, Töchtern und super
crazy ausgeflippten Freundinnen, welche, die geschenkte Gala in der Hand, in
einer kilometerlangen Schlange vorm Gratissekt-Tresen anstanden, um sich danach
irgendeine romantisch-witzige Rotze in der Ladies Night reinzuziehen. Das lag
auch nicht am generell schon recht befremdlichen Publikum, das sich gegen 20
Uhr in Kiel Downtown herumtreibt. Allerdings trug das alles sehr stimmig zu dem
allgemeinen Eindruck bei, es ginge hier nicht um Kino oder gar "Kultur",
in welcher Form auch immer. Es geht hier um Konsum als Selbstwert, und zwar
ganz offensichtlich und unironisch. Alles ist groß, hell, bunt, ein Tempel in
Plastik verschweißt, und die Massen strömen herein als würden hier kostenlose
BILD Exemplare verteilt.
Seitlich an dieser Szenerie vorbeigehend fand ich meinen Platz und genoss den Werbeblock. Ich hatte dabei jedoch nicht das Gefühl, Werbung
gesehen zu haben, in dem ein Produkt an sich angepriesen wird. Das waren verkackte
Imagekampagnen, die ein bestimmtes Bild einer Marke vermitteln sollen, und zwar
direkt zugeschnitten auf ein gleichsam junges wie dummes Publikum. Da werden
dann fünf Minuten lang Angestellte von Rügenwalder in den wärmsten Farben und der
herrlichsten Natur interviewt, und am Ende denkst du dir, krass, was für ein
geiler Job, ich will auch TEEWURST machen, und von dem Geld holst du dir dann 'nen
Mini, da passt zwar nix rein, aber das ist ein Friend for Life! Das ist jung,
das ist hip, gleich erstickst du am Popcorn, denn es ist in Plastik
eingeschweißt.
Womöglich reagiere ich über, weil mir der regelmäßige
Brandingterror der TV-Werbung komplett entgeht. Allerdings bin ich gerade
deshalb auch sehr dankbar, dieser mehr als beschissenen Form von Input noch
bewusst angewidert begegnen zu können.
Jaja, denkt ihr jetzt, das ist alles nichts neues, nur ein
bisschen Kapitalismus- und Medienkritik eines Ärgerschlumpfs ohne Fernseher.
Aber das alles war nicht wirklich schlimm, lediglich auf eine perfide Art und Weise interessant. So richtig
den Abend versaut hat mir dann nämlich Steven Gätjen.
"Mehr als Kino - Die Show vorm Film" heißt das Format,
welches Cinemaxx seit Juli 2012 einigen seiner Blockbuster (ich stelle mir
dieses Wort immer gesprochen von einem ganz doll dicken Kind vor) voranschiebt.
Dort sitzt dann eben erwähnter "Vollblut-Cineast und Filmfan" Steven
G., den eigentlich sowieso niemand leiden kann, auf einer Couch, inmitten eines cinema-themed
Wohnzimmers, das genau so aussieht, als solle es wie ein cinema-themed Wohnzimmer
aussehen, und erzählt ein paar Fun Facts über den Film, auf den zu sehen man sich gerade noch
akut gefreut hatte. Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, werden die
eingespielten Hauptdarstellerinterviews mit reichlich Filmszenen unterlegt, und
zwar GESCHLAGENE 2 MINUTEN! Leute, ernsthaft, habt ihr den Arsch offen? Ich
gucke mir teilweise nicht mal Trailer vorher an, um mir das Kinoerlebnis nicht
zu versauen, und ihr zeigt die spektakulärsten zwei Minuten direkt vor
Filmbeginn?!1!
So, Shitstorm jetz: Wie toll dieser CineMaxx-Dreck hier den halben Film vorher spoilert! m(Wie der Pressesprecher dieses Kinodisneylands erklärt, wolle man mit dem Format "einen attraktiven Mehrwert schaffen" und "stimmungsfördernde Beiträge" liefern. Meine Stimmung und vor allem Vorfreude war komplett im Arsch und der attraktive Mehrwert besteht für mich darin, Cinemaxx nie wieder bekackte 12€ in den Rachen zu schieben. Vollhorste.
— nutellagangbang (@nutellagangbang) October 16, 2013
Weil ich das gerade wieder las und dein dritter Absatz so anfängt und die Thematik durchaus mit deinem Text verwandt ist und es schon bald wieder "soweit" ist, möchte ich folgenden kurzen Max-Goldt-Text empfehlen: http://www.rowohlt.de/fm/131/Goldt_Vom_Zauber_des_seitlich_dran_Vorbeigehens.pdf
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