Mittwoch, 16. November 2011

Oh mein fickender Gott!

Dieser Tweet und das darauffolgende Feedback machten mich auf ein interessantes Phänomen aufmerksam. Neben den unzähligen üblichen Anglizismen, die sich zunehmend in unseren Sprachgebrauch eingeschleust haben, gibt es außerdem noch die so genannten "versteckten" Anglizismen. Der Tweet selbst ist als einer anzusehen: Eins zu eins ins Deutsche übersetzte englische Äußerungen, die es auf Deutsch überhaupt nicht gibt.

Die prominentesten Vertreter:
"macht Sinn"
"in 2011"
"da bin ich ganz bei dir" (Siehe @batteur's Antwort)
"etwas erinnern" (Uuah, ganz furchtbar! Danke @grindcrank)
"etwas realisieren"
"nicht wirklich"
uvm.

Da rollen sich mir die Fußnägel hoch.

Oder mit 's Worten:

Sonntag, 13. November 2011

"Das muss ich twittern!"

Keine Gedankengänge mehr, ohne sich den Kopf zu zerbrechen, wie das in 140 Zeichen passt.
Oh - wäre das ein guter Tweet?

Keine Unterhaltungen mehr, ohne im Hinterkopf Gesagtes auf seinen Tweetwert zu überprüfen.
Oh - das wäre ein guter Tweet! 

Keine Witze, keine Wortspiele mehr hören, ohne sie danach erst mal zu googeln.
Oh - ist das vielleicht schon ein Tweet?


Diese Plattform verändert einen. Und zwar in der tiefgreifendsten Form: Sie verändert das Denken. Ob ich das jetzt anprangere? Ich weiß es nicht. Ich stelle es einfach nur mal fest. Und finde es ein kleines Bisschen furchteinflößend.

Montag, 24. Oktober 2011

Hitchhiker's Guide: Eine Anleitung zum Trampen

„Auf allen Straßen ist es das Entscheidende, daß es auf ihnen nur eine einzige sinnvolle Bewegungsrichtung gibt, die nach vorn.“
(Otto Friedrich Bollnow: Mensch und Raum, 1963)


Von allen Arten des Reisens ist Trampen die spannendste. Von den offensichtlichen finanziellen Vorteilen ganz abgesehen, gibt es keine andere Art der Fortbewegung, die bei Erreichen des Ziels derartige Befriedigung auslöst. Natürlich ist die körperliche Leistung sowie die landschaftliche Erhabenheit nicht mit Wander-, Fahrrad- oder Paddeltouren vergleichbar. Aber das ganz besondere Gefühl, an einem Tag sein 1000 Kilometer entferntes Ziel erreicht zu haben, ohne Geld, mit vielen unterschiedlichen Bekanntschaften, mit denen man ein paar Momente geteilt hat – dieses Gefühl vermag nur das Trampen hervorzurufen.
Die Überwindung ist groß. Was mach ich nur, wenn mich ein Irrer mit nimmt? Was mach ich nur, wenn mich gar keiner mit nimmt? Muss ich dann auf der Raststätte übernachten? Oder sterben?!
Die Überwindung ist groß, aber der Reiz liegt gerade im Unbekannten, im Unsicheren. Die Straße wird vom Mittel zum Abenteuer. Man geht in ihr auf. Der Weg wird – Achtung, Atom-Plattitüden-Alarm – zum Ziel. Nirgendwo habe ich diese Redewendung besser verstanden als auf Autobahnraststätten, im Gespräch mit wildfremden Menschen. Gerade der menschliche Aspekt ist unschlagbar. Man sitzt nicht in einem überfüllten Zug, dem Lärm und Gestank dutzender Anderer ausgesetzt. Man sitzt auch in keiner Mitfahrgelegenheit, Menschen dafür bezahlend, ihren furchtbaren Smalltalk zu ertragen. Man begegnet den Menschen auf Augenhöhe: sie tun dir den Gefallen, dich ein Stück deinem Ziel näher zu bringen, du tust ihnen den Gefallen deiner Gesellschaft.
Dies ist ein Aufruf. Ein Aufruf zu mehr Mut, sich einfach mal diesem Abenteuer hinzugeben. Ebenso ein Aufruf für die andere Seite: fragt euch jemand, ob ihr ihn mitnehmen würdet – tut es. Psychopathische Serienkiller trampen nicht.
Jeder macht auf der Straße natürlich seine eigenen Erfahrungen, entwickelt seine eigenen Taktiken. Ein paar grundsätzliche Regeln jedoch kann man wohl festhalten:

  • Stellt euch nicht mit einem Schild oder dem Daumen an den Straßenrand. Nur wenn es absolut nicht anders geht. Die Chance, dass jemand auf offener Strecke für euch abbremst, ist extrem gering.
  • In jeder größeren Ortschaft gibt es Tankstellen an Ausfallstraßen oder Autobahnzubringern. Stellt euch dort hin und sprecht die Leute direkt an.
  • Am besten startet man direkt an Autobahnraststätten. Zur Not lässt man sich für höchstens 5€ von irgendeiner passenden Mitfahrgelegenheit einfach dort absetzen. („Waaas, und hier willst du jetzt einfach raauus??!“)
  • Gepflegtes Äußeres ist von Vorteil. Niemand lässt stinkende Penner in sein Auto. Offensichtlicher Alkoholkonsum ist auch eher suboptimal.
  • Startzeit realistisch wählen. Nachts trampt es sich scheiße.
  • Grundkenntnisse in Sachen Kfz-Kennzeichen sind von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig. Es lohnt sich generell immer, jeden zu fragen. Ist ja nicht gesagt, dass derjenige auch nach Hause fährt, sondern vielleicht genau in deine Richtung.
  • Nicht verzweifelt wirken. Eine gewisse Grundlockerheit und selbstredend -freundlichkeit kann einen weit bringen.
  • Jeder Kilometer zählt. Natürlich ist es eher unwahrscheinlich, dass der erste, der einen mitnimmt, genau in deinen Zielort fährt. Kann er/sie dich ein, zwei Raststätten weiterbringen, bevor er/sie die Richtung wechselt, mach es.
  • Eine Autobahnkarte ist überlebenswichtig. An Serways-Raststätten liegen Prospekte aus, auf deren Rückseite das deutsche Autobahnnetz mit eingezeichneten Raststätten gedruckt ist. Zwar nur eben jene Serways-Dinger, aber definitiv ein hilfreicher Ansatz.
  • Sei aufmerksam. Ein Mal die letzte Raststätte vor einem für dich wichtigen Autobahnkreuz verpasst, wird es mitunter schwierig, noch in die gewünschte Richtung zu gelangen.
  • Nicht einschlafen!

Zwar glaubt man, irgendwann ein Gespür dafür zu entwickeln, wen man gar nicht erst fragen brauch, der nimmt einen ja sowieso nicht mit undsoweiter. Aber das ist Blödsinn. Du kannst auch von Hippies im VW-Bus abgewiesen werden. Andererseits nehmen dich gerne mal Rentner, Kleinfamilien, einzelne Frauen sowie besonders Geschäftsleute mit. Oder Leichenwagenfahrer: „Keine Angst, is' ne Leerfahrt! Und ich sach dir gleich, ich rauch wie'n Schlot!“ Deine Erscheinung ist die eine Sache, Glück die andere. Fakt ist: du kommst an. Und du kannst sagen, du hast eine Reise hinter dir.

Dienstag, 18. Oktober 2011

nicolas jaar

dieser typ aus new york ist jünger als die wiedervereinigte bundesrepublik und bringt jetzt schon einen kreativitätsfluss, ein soundspektrum und einen groove mit, dem andere künstler ihr leben lang hinterher rennen. experimentelle elektronische musik ohne referenzen. "abgefahren wie aphex twin, dabei aber so unaufdringlich wie boards of canada" wäre beispielsweise schon mal ein völlig missglückter versuch, irgendwelche vergleiche zu finden. und das alles mit einem selten gehörten, extrem differenzierten sounddesign. sein debut-album "space is only noise" wird in meiner top ten des jahres weit vorne dabei sein, so viel ist gewiss. da es jedoch so unglaublich heterogen ausgefallen und eine einzelne repräsentative hörprobe auszuwählen völlig unmöglich ist, kommt hier erst mal ein wahnsinnstrack, der gar nicht darauf enthalten ist:


nicolas jaar - russian dolls (2010)